Was für ein Schock! Statt der erwarteten zehn bis zwanzig waren über achtzig Pilger heute Morgen in der Kathedrale zur Pilgermesse. Die allermeisten Franzosen, vier Deutsche, zwei Schweizer, zwei Kanadier und ein Japaner. Nämlich der, dem ich gestern beim Einchecken im Grand Séminaire vom Französischen ins Englische gedolmetscht habe (ausgerechnet ich mit meinen grandiosen Sprachkenntnissen!).
Nach der Messe und dem Pilgersegen wurden wir alle dann gegen Acht mitten aus der Kathedrale die berühmte Treppe und die anschließende Gasse hinunter in Richtung Santiago entlassen.
Das Gehen in so einer Karawane ist ja was ganz anderes als das Alleingehen! Dauernd sind Leute vor oder hinter mir. Entweder ich passe sich deren Tempo an oder ich muss dauernd überholen. Und wenn ich dann überholt habe, kann ich natürlich nicht plötzlich langsamer werden oder gar stehen bleiben ohne die Anderen zu nerven. Anfangs habe ich versucht, ganz vorne zu gehen. Das geht, verlangt aber strammes Durchmarschieren ohne jede Pause. Nach meinen ersten Fotos habe ich das aufgegeben.
Zwei kurzzeitige Gesprächspartner hatte ich unterwegs. Eine Französin, die eine Woche gehen und eventuell Conques erreichen will und einen gerade pensionierten Schweizer – mit ihm konnte ich englisch und deshalb ausführlicher sprechen -, der Ende September Santiago erreicht haben will. Beinahe hätte ich mich ihm angeschlossen, den Schnitt von 36km pro Tag hätte ich auch geschafft. Aber ich habe ja mit meiner Liebsten bessere Pläne für Burgos und Santiago!
Wie bei der Menge von Pilgern zu befürchten, war der Gîte an meinem für heute vorgesehenen Zielort Saint-Privat-d’Allier ausgebucht. Zum Glück hatte das Hotel noch ein Zimmer frei. Hier habe ich endlich mal wieder WLAN und kann auch bequem meine Sachen waschen und trocknen. Das ist doch auch mal was!
Hättest Du es mir nicht schon selbst erzählt, hätte ich beim Lesen Deines Beitrags auch gleich einen Schock bekommen – mit so vielen Mitpilgern hätte ich an einem Wochentag auch nicht gerechnet.
Liebster, munteres Weitergehen und schöne Begegnungen wünscht Dir,
Deine Sabine
P.S. freue mich schon auf Deinen nächsten Beitrag morgen und neue schöne Bilder!
Du meine Heimat, Du!
Ja, das ist ein ganz neues Lebensgefühl auf so einer Pilgerautobahn umringt von Mitpilgern bei guter Infrastruktur und hervorragender Ausschilderung zu gehen, fast wie in Spanien auf dem Camino Francés. Hoffentlich wird’s mir nicht langweilig!
Und bei allem beflügelt mich unsere innige Liebe
Dein Burkard
Wow, wo kommen die denn alle auf einmal her? Dann wird es ja in Spanien richtig voll werden …
Ich kann gar nicht glauben, dass Du so schöne Fotos mit dem Händi machst. Ich bin beeindruckt, zumal spontane Fotos mit dem meinigen eher verrauscht sind. Aber auch da ist eben ein Liebhaber am Werk – sowohl für die Technik als auch für die Schönheiten am Rande des Lebens!
Beflügeltes Weitergehen wünscht Dir
Ulla
Liebe Ulla,
na ja, die sind halt mit dem Zug nach Le Puy-en-Velay gefahren und dort heute Morgen gestartet. Sind ja bis Ende August noch Ferien in Frankreich. Die junge Französin, mit der ich heute sprach, will ja nur eine Woche gehen. Ich denke, viele machen das so. Spätestens ab Conques wird’s sicher wieder ruhiger.
Zu den Händi-Fotos: Ich bin selbst erstaunt, was so ein Eifon zu Stande bringt. Bei gutem Licht und ohne Anspruch auf knappe Schärfentiefe geht’s ganz gut. In vielen Situationen ist allerdings die Brennweite zu kurz. Dann greife ich doch lieber zur Futschi.
Danke für Deine Ermutigung und herzliche Grüße
Burkard