
Der heutige Tag bot mir hauptsächlich mentale Herausforderungen. Erst den größten Teil der Pilgerautobahn, einem Fußweg, der über achtzehn Kilometer fast schnurgeradeaus parallel zu einer Landstraße von Frómista nach Carrión de los Condes führt und direkt anschließend die berüchtigte 18km-Geradeausstrecke ohne jede Einkehrmöglichkeit oder optische Unterbrechung von dort nach Calzadilla de la Cueza.
Als heutiges Etappenziel habe ich eher zufällig Terradillos de los Templarios gewählt; ich war nach der langen Geraden in Calzadilla de la Cueza so gut in Fahrt, dass ich noch zehn Kilometerchen zum Abbremsen brauchte. Leider hat’s hier in der Herberge mit dem erhofften Einzelzimmer nicht geklappt, so dass ich mir nun mit drei weiteren Pilgern einen Raum teilen und sogar im Etagenbett oben schlafen muss.
Vor mir sah’s so aus, und zwar für die kommenden zwei Stunden. Die einzige Abwechslung war ein Pilger, den ich überholte Población de Campos – Terradillos de los Templarios Población de Campos – Terradillos de los Templarios Albergue de peregrinos Camino Real, Calzadilla de la Cueza. Hier habe ich 2010 übernachtet. Heute bleibe ich hier in Lagartos, Kastilien-León, Spanien Mein Bett für diese Nacht Malerischer Sonnenuntergang dito
Lieber Burkard,
ah Ärger mit der meseta gestern? … wir sind immer froh, wenn der 2.10. überstanden ist. Da hat Lucius immer Geburtstag, also immer einen anderen, diesmal 12 Jahre und wir waren mit seinen Freunden in einem Waserrutschenparadies – dementsprechend höllisch fühlt sich mein Körper heute an. Immerhin geniessen wir die Stille des Einheitstages – alle anderen sind auf Piste!
Als ich das mit dem Kerl mit den Schuhen gelesen habe, ging mir das Taschenmesser im Hosensack auf. Vermutlich hat dich dein Pilgergelübde abgehalten ihm ordentlich eine zu Semmeln!! – Meinen Segen hättest Du gehabt – Franziskus hätte dich auch absolutioniert – und was hast Du daraus gelernt?
Immer wenn ich so alle Woche in deinen blog eintauche und die Etappen lese falle ich in Burkards Welt … die Bilder, die Farben, wenig Menschen, Beschreibungen und Stimmungen laden mich einfach ein. Und ich geniesse das mittlerweile – auch das Schreiben, was mir durch den Kopf geht: “ich gehe meinen Weg, in Wirklichkeit träume ich ihn”. Seit du in Spanien blogst hat das für mich etwas anderes, südländisches, …ich-weiss-es-nicht! Deine Zeilen klingen nicht spanisch – ich vermeine, eine entschiedenere Haltung des Pilgers zu vernehmen.
Ob es hilft, karge Strecken geschlossenen Auges zu durchwandern oder 1 Stein von der linken in die rechte Hand zu geben (mit jedem Ausatmen!)? Vorsicht sag ich mir – mit solchen Ratschlägen angesichts deiner über 90 Etappen;-)
1 Frage noch Burkard – (emp)findest Du etwas von dem spirit des Hl Jakob oder wird da etwas spürbar, je näher Du an Compostella kommst? Ich gebe zu eine Laienfrage – sagt doch Rilke: “Wenn ich (der Franz) aufhöre, verstehen zu wollen, wird die Welt ein Fest!
Alles gute – und entschuldige die Sprache (aber hier ist Oktoberfest)
ciao Franz
Lieber Franz,
dass Dich bei drei Kindern deren Geburtstage einigermaßen schlauchen, kann ich mir lebhaft vorstellen! Umso praktischer, dass unsere Regierung in ihrer unendlichen Weisheit den Tag der deutschen Einheit direkt hinter Lucius’ Geburtstag platziert hat. Echt nett, oder?
Zu meinen geklauten Schuhen: Was kann ich daraus über meine lieben Mitmenschen lernen? Erstens: Manche sind einfach dusselig, besonders am Morgen vor dem ersten Kaffee. Zweitens: Die Demut, eigene Fehler zuzugeben und für deren Folgen einzustehen, ist nicht jedem gegeben. Drittens: Mancher hält das Wort “Entschuldigung” für den Ausdruck eigener Schwäche, die es möglichst zu kaschieren gilt. Zum Pilgergelübde: Ja, der Pilger ist sanftmütig und gewaltfrei. Punkt!
Du, schön, dass Dich meine Schilderungen und Bilder entrücken lassen! Ich selbst bin täglich froh und dankbar dafür, dass mir das unerhörte Glück beschieden ist, mein großes Abenteuer hier zu leben. Ich werde Dich auch weiterhin gerne daran teilhaben lassen.
Den Trick mit dem Stein habe ich noch nicht ausprobiert. Ich glaube auch nicht, dass ich mich trauen würde, meine Augen längere Zeit zu schließen. Ich bin eher ganz besonders achtsam mit jedem einzelnen meiner Schritte. Du kennst das hübsche Gedicht von Bertold Brecht mit dem Titel “Morgens und abends zu lesen”? Das hat mir nämlich meine Liebste ausgesucht und mit auf den Weg gegeben.
Zu Deiner letzten Frage: Nein, vom Spirit des heiligen Jakob spüre ich rein gar nichts. Es ist eher so, dass der äußere Weg, je näher ich nach Santiago komme, immer mehr kommerzialisiert ist. Der Heilige wird buchstäblich verramscht. Das macht mir allerdings nichts aus, ich gehe ja meinen Weg und der ist völlig unabhängig von dem äußeren Trubel.
Dir, mein Lieber, herzliche Grüße aus dem ruhigen Rabanal del Camino
Burkard